Freiwilligendienst in Jena: 13 junge Erwachsene aus 7 Ländern zu Gast
Jena. Es sei das erste Mal, dass sie ein Land kennenlernt, in dem sie den Eindruck hat, die Regierung sorgt sich um seine Bürger. “Die Menschen arbeiten und tun etwas für ihr Land, aber Deutschland tut auch etwas für seine Menschen”, sagt die 29-jährige Özge aus der Türkei.
“Die Deutschen, mit denen ich jedoch bisher darüber gesprochen habe, sehen das anders. Sie sagen, die Regierung muss noch mehr tun. Ich finde es schade, wenn man nicht sieht, was man hat.” Özge ist Regieassistentin, hat bei Filmen wie “Mordkommission Istanbul” oder der Dan-Brown-Verfilmung “Inferno” mit Tom Hanks mitgewirkt.
“Ich habe rund um die Uhr gearbeitet. Zeit für Familie oder Freunde gab es keine. Ich hatte mich selbst dabei völlig aus dem Blick verloren. Irgendwann wurde mir klar, dass ich eine Pause brauche, wenn ich herausfinden will, was ich wirklich tun will. Das freiwillige Austauschjahr war für mich eine Möglichkeit, mir diese Pause zu nehmen. Es hilft mir, meinen Kopf wieder frei zu bekommen, meine Gedanken von der Arbeit zu lösen und mich zu orientieren.”
Özge gehört zu einer Gruppe von 13 jungen Erwachsenen, die in Jena einen Freiwilligendienst ableisten. Sie alle sind gut ausgebildete junge Erwachsene, so wie der 23-jährige Juan, der in Spanien Psychologie studierte, oder Angela, Übersetzerin und Englisch-Lehrerin, ebenfalls aus Spanien.
Beide stimmen ihrer Mitstreiterin Özge zu: “In Spanien verlangen sie Geld für alles. Die Ausbildung dauert sehr lang und für jeden Test, der abzulegen ist, verlangen sie Geld. Dafür bekommt man dann – wenn überhaupt – einen schlecht bezahlten Job, drei Euro die Stunde, mit miesen Arbeitsverträgen und ohne irgendwelche Sozialversicherungen. Hier ist das anders”, sagt Juan.
Der Verein hat zu diesem Zweck Wohnungen angemietet, in denen die Freiwilligen in Wohngemeinschaften untergebracht sind. Von zwei Monaten bis zu einem Jahr ist die Aufenthaltsdauer der Freiwilligen in Jena. Sie engagieren sich in dieser Zeit in verschiedenen sozialen oder kulturellen Einrichtungen.
Sie sei wirklich gerührt gewesen, als sie zum ersten Mal im Jugendzentrum Klex gewesen ist, sagt Özge. “So ein tolles Angebot für Kinder und Jugendliche, um die Freizeit zu gestalten.” Angela arbeitet im Montessori-Kindergarten, auch sie zeigt sich begeistert: “Es ist wirklich sehr interessant für mich, zu sehen, wie die Kinder dort gefördert werden. In Spanien habe es zwar viele Bildungsreformen gegeben, aber nie gute. Mit ‚Reformpädagogik‘ habe das nichts zu tun.”
Anastasia ist eine junge Designerin. “In Russland habe ich viele Auftragsporträts gezeichnet. Das hat gut funktioniert, aber ich habe vor, mich neu zu orientieren. Ich mache jetzt im Freizeitladen Winzerla ein Projekt mit Kindern, mir gefällt das sehr gut.”
Conny Bartlau weist darauf hin, dass es noch freie Plätze für das Freiwilligenjahr in Wladimir gibt. “Leider erscheint vielen jungen Deutschen Russland für ein Austauschjahr wohl gerade nicht besonders attraktiv.”
Das würde der 22-jährige Iakov gern ändern. Er kommt ebenfalls aus Russland und arbeitet derzeit im Jugendzentrum Hugo, wo er bereits einen russischen Abend veranstaltet hat. “Es geht mir darum, die Stereotypen über mein Heimatland aufzubrechen und mit Vorurteilen aufzuräumen”, sagt er.
Am 15. Dezember 2016 soll in der Eurowerkstatt am Löbdergraben 28 deshalb ein offener russischer Abend mit landestypischem Essen organisiert werden. “Alle Interessierten sind ab 13 Uhr herzlich hierzu eingeladen”, sagt Conny Bartlau.
Mitmieter für den Löbdergraben 28 gesucht
Sie nutzt die Gelegenheit außerdem, um darauf hinzuweisen, dass am Löbdergraben 28 ein Mitmieter gesucht wird. Der Verein Eurowerkstatt Jena teilte sich bisher die Räume mit der Überbetrieblichen Ausbildungsgesellschaft, die nun jedoch umzieht.
“Um weiterhin diese zentrumsnahen Räume nutzen zu können, brauchen wir nun einen neuen Mitmieter”, sagt Conny Bartlau.
Die Eurowerkstatt plant gemeinsam mit den 13 europäischen Freiwilligen unter anderem auch Ausflüge und ein Festival. Zur Zeit treffen sich die jungen Europäer regelmäßig zu einem zusätzlichen Sprachkurs. Während einigen das Deutschsprechen keine großen Probleme mehr bereitet, müssen sich andere noch anstrengen.
Und während sie viele neue Erfahrungen sammeln und sich eine neue Sprache aneignen, hinterlassen sie mit ihrem freiwilligen Engagement in Jena ihre Fußabdrücke.